PSYCHOENDOKRINOLOGIE: Manfred Bleuler und die Geschichte der DSD-Forschung und -Behandlung in Zürich in den 1950er- bis 1980er-Jahren

Dieses Projekt untersucht die bislang unterbelichtete Geschichte der Entstehung der PSYCHOENDOKRINOLOGIE und ihre Verflechtung mit der Behandlung von Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli in Zürich in den1950er bis in die 1980er Jahre. Als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts biomedizinische Ansätze aufkamen, die geschlechtliche Unterschiede durch die Wirkung von Hormonen zu erklären suchten, verlagerte sich die wissenschaftliche und klinische Aufmerksamkeit zunehmend auch auf die Psyche. Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich der damalige Direktor des Burghölzli, der Psychiater Manfred Bleuler, dafür ein, die Endokrinologie für die Psychiatrie fruchtbar zu machen und das neue Forschungsgebiet der PSYCHOENDOCRINOLOGIE zu etablieren. Dabei formulierte er auch hormonelle Erklärungsansätze für die Entwicklung des psychischen Geschlechts von Menschen mit DSD und suchte nach hormontherapeutischen Interventionsmöglichkeiten. In den 1950er und 1960er Jahren wurde Zürich zu einem international anerkannten Zentrum für die Erforschung und klinische Behandlung von DSD durch hormonelle Interventionen. Trotz seiner historischen Bedeutung ist der Einsatz von Hormonen zur Überbrückung von Körper und Psyche bei DSD-PatientInnen in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich weitgehend unerforscht geblieben. Das Projekt PSYCHOENDOCRINOLOGY befasst sich mit dieser Lücke, indem es Archivmaterial im Staatsarchiv Zürich systematisch untersuchen, einen Workshop, eine akademische Konferenz und ein gemeinsames Special Issue mit SFB-internen und externen WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Wissenschaftsgeschichte, Gender Studies und Neuroendokrinologie organisieren wird. Indem es sich mit kritischen Lücken in der Geschichte der Hormone, DSD und psychiatrischen Behandlung befasst und die zentrale Rolle Zürichs im deutschsprachigen psychiatrischen und psychologischen Diskurs in den Vordergrund stellt, leistet PSYCHOENDOCRINOLOGY einen wichtigen Beitrag zum SFB 1665 und legt den Grundstein für einen größeren Forschungsantrag für eine zweite Förderperiode des SFB 1665, der die Verflechtungen von Psyche, Hormonen und geschlechtlicher Vielfalt in den Blick nimmt.